Geschichte des Großorients von Österreich

Zu Beginn der 1950er Jahre forderte die Vereinigte Großloge von England von der Großloge von Wien für Österreich als Preis für die Anerkennung unter anderem das Ende jeglicher Beziehungen zu „irregulären“ Brüdern, so auch z. B. zu solchen, die dem Großorient von Frankreich (GOdF) angehörten. Im Herbst 1952 erfolgte die formelle Anerkennung. Eine Gruppe vorwiegend jüngerer Brüder wollte diesen anbefohlenen Kurswechsel jedoch nicht mittragen.

Sie arbeiteten ab Herbst 1953 unter „freiem Himmel“ und begannen, eine zeitgemäße Form der freimaurerischen Arbeit zu entwickeln. In einer eingehenden Ritualdiskussion stellten sie alle Riten und Symbole in Frage mit dem Ziel, sie zu entstauben. Der Tempel sollte wieder zur Bauhütte werden.

Am 24. September 1955 wurde die Unabhängige Freimaurer Loge Wien (UFML) gegründet.

Im Februar 1961 wurde durch Teilung der UFML in drei Logen: Van Swieten, Sonnenfels und die Traditionsloge UFML der Großorient von Österreich gegründet, allerdings bald wieder „schlafen gelegt“.

1961 war der Großorient von Österreich eine der 11 Obödienzen, die den Appell von Straßburg unterschrieben und so den Dachverband CLIPSAS gründeten, der jene Obödienzen, die durch die Anerkennungsverhältnisse der Vereinigten Großloge von England (UGLE) ausgeschlossen waren, wieder zusammenführte.

 

 

Zu den Grundsätzen der UFML gehörte von Anfang an ein Verständnis von Freimaurerei, das auch auf die früheren gesellschaftspolitischen Wirkungsmöglichkeiten zurückgreifen wollte. Zu den Alten Pflichten sollten Neue Pflichten als Ergänzung hinzukommen. Ein solches Dokument wurde 1974 verfasst und gilt bis heute.

Dieser Text ist in seinem Grundverständnis ein Versuch, die alte Flamme der Aufklärung, das Licht der Vernunft in einer Welt der Widersprüche, der Inhumanität und der Gleichgültigkeit, wieder stärker zum Leuchten zu bringen.

Von Anfang an wurden alternierend zu den 14täglichen Logen-Zusammenkünften so genannte Konferenzarbeiten abgehalten, zu denen auch Nichtaufgenommene eingeladen wurden. Diese Konferenzen sollten vermeiden, dass die Freimaurerei im Elfenbeinturm sitze. 1973 wurde daraus ein Verein. Er dient als Plattform in mehrfacher Hinsicht: als Vorfeldorganisation des Großorients ermöglicht er interessante Referate, den Gedankenaustausch zwischen Freimaurern und Nichtmaurern zu pflegen und somit das nähere Kennenlernen zu fördern. Seit 1978 wurden auch Frauen zu den Diskussionsabenden eingeladen.

Innerhalb der Männerloge UFML wurde jahrelang diskutiert, ob sie die liberalen Grundsätze etwa betreffend der Aufnahme von Frauen nicht auch selbst in die Tat umsetzen sollten, damit aus dem Brüderbund ein Menschenbund werde.

1985 fühlte sich die Gruppe stark genug, wieder die Bildung eines Großorients zu wagen. Am 8. Mai 1985 wurde das Licht in der Loge Zu den Neuen Pflichten entzündet, am 26. Juni folgte die Loge Gotthold Ephraim. Am gleichen Tag entzündeten die 3 Logen wieder das Licht im Großorient von Österreich. Am 27. November 1985 wurden endlich sechs Frauen in die beiden neuen Logen aufgenommen. Die Traditionsloge UFML blieb eine Männerloge, jedoch mit Besuchsrecht für Schwestern.

1990 wurde unter der Ägide des Großorients von Österreich eine interobödentielle Ausbildungs- und Forschungsloge namens Perpetuum Mobile gegründet. Bleibt aber vom Großorient von Österreich unabhängig.

Im Sommer 2003 kam es zu Wirren und die drei Gründungslogen UFML, Zu den Neuen Pflichten und Gotthold Ephraim verließen den Großorient von Österreich. Bis zu ihrem Zusammenschluss zur Liberalen Großloge von Österreich am 24. Juni 2007 arbeiteten sie nicht unter dem Dach einer Obödienz.

Die mittlerweile neun Logen des Großorients von Österreich halten den Grundgedanken hoch, dass die Freimaurerei wieder eine gesellschaftspolitische Bedeutung erzielen muss, ein Denken in ethisch-moralischen Kategorien ohne Dogmatismus jedoch mit Langzeit-Perspektiven, das die Freimaurer auszeichnet. Sie wollen sich mehr der Öffentlichkeit stellen und als Vorbilder in der Gesellschaft dienen.